Hinauf rutschen

Mein Jahr 2016 endete nicht gut. In der Weihnachtszeit habe ich einen Großteil damit verbracht, festzustellen, dass grad in meinem Leben einiges schief läuft. Einem Freund, der mir dann zum Neujahr einen so gut wie möglichen guten Rutsch wünschte, entgegnete ich humorvoll, dass ich wohl nur hinauf rutschen kann. Aber wer in Physik etwas aufgepasst hat, weiß dass so was nicht geht.

Ich habe bei diesem Ausspruch immer ein bestimmtes Bild im Kopf: Jemand mit einem Schlitten auf einem schneebedeckten Hügel, den er zu Beginn des Jahres runter rutscht.

Aber was nun, wenn man nicht auf dem Hügel ist, sondern der kleine Patrick auf seinem Schlitten im Tal, vor einem für ihn unerklimmbaren Berg sitzt?

Da kann er auf wunderbare Freunde vertrauen, die ihm hinauf helfen! Ich bin immer wieder fasziniert, was für ein wunderbares Set ich da habe.

Als ich in tiefster Nacht nicht mehr weiß, welcher Weg lawinensicher ist, setzte ich Nachrichten ab und bin überwältigt.

Die eine würde gleich alles daran setzten ihren Heli startklar zu machen, um mir beiseite zu stehen. Wir vertagen auf einen Walkie Talkie Check am nächsten Tag in dem wir mehrere Stunden lang ausführlich Lage und Auswege checken. Aber die finale Entscheidung lässt sie bei mir, sagt jede Unterstützung zu.

Ein weiterer Freund reagiert auf den Hilferuf: Dieser unterbricht seine aktuelle, rasante Schlittenfahrt, obwohl im Fahrplan eigentlich kein Platz mehr dafür ist. Er entschuldigt sich für drei Minuten Verspätung, dabei ist er genau richtig. Wie immer, beweist er Taktgefühl beim gut Zuhören und beim Fragen stellen sowie im weiteren Verlauf.

Es kommt eine weitere Person vorbei, sie weiß, dass das nicht die beste Position ist, in der ich bin, geschweige denn ein geschmeidiges Rutschen möglich ist. Sie respektiert jedoch meinen Wunsch, dass ich ihr aktuell nicht viel Details erzählen will. Da gibt es zu viel Unsicherheiten und eigene Betroffenheit, die es mir schwierig machen, das jetzt alles mit ihr zu bereden.

Sie ist trotzdem da und zieht mit. So belämmert ich auch noch von der ganzen Situation bin, es tut einfach gut zu merken, dass ich gerade auf meinem Schlitten hochgeschoben und -gezogen werde. Ja, ich muss realisieren, dass ich es grad nicht selbst schaffe, aber es überwiegt dieses Gefühl der Geborgenheit. Meine Freunde bringen mich auf den Berg und sind sich dabei für nichts zu schade.

Auf dem Weg hinauf begegnet mir ein weiterer toller Mensch. Heute hat er aber kein gutes Händchen. Als er anfängt mir zu erzählen, wo ich denn alles falsch abgebogen bin, und dass er da einen super-tollen Atlas hat. Ja, seit dem er den hat, biegt er gar nicht mehr falsch ab und kann von einem ins andere Vergnügen rutschen. Ich kann’s grad nicht hören. „Ich weiß, was ich falsch gemacht habe! Hau ab mit deinem blöden Atlas! Du hilfst mir nicht!“, sind die Worte die mich überkommen. Ich habe Recht, er hilft gerade echt nicht; und ich bin – zugegeben – auch erleichtert, ihn wieder los zu haben. Ja, auch so was passiert. Aber ich sehe auch, dass er es eigentlich nur gut meinte. Später bin ich ihm dankbar dafür, dass er nicht beharrte und mir Freiraum gab, aber auch, dass er es mir nicht übel nimmt, dass ich ihm eine Abfuhr erteilt habe.

Ich bin oben. Ich bin oben! Eine Selektion meiner besten Freunde hat mich auf den Berg gebracht, ohne zu jammern, ohne einen Lohn zu erwarten, ohne eine Leistung von mir. Ich bin da. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, dass in mir ist. Ich kann gar nicht voll realisieren, wie toll sie sind.

Bevor es weiter geht, erzähle ich nun endlich Person 3 was los ist, und welchen Pfad ich mir für das Rutschen ausgesucht habe. Jetzt ist die Zeit dafür. 

Es ist kein einfacher Pfad. Auch von hier oben sehe ich nicht viel; nur, dass es viele Aufs und Abs geben wird; dass es Gabelungen gibt, wo die richtige Richtung ungewiss ist; Stellen wo ich in dichten Nebel fahre und dass es ganz schön ruckelig sein wird.

Aber es stehen geniale Menschen hinter mir, die mir bestätigen, ich mache das Richtige. Die volles Vertrauen in meine Entscheidungen haben. Die aus einer mir unbegreiflichen Selbstverständlichkeit sagen „Mach das!“. Auch wenn ich mich grad frage, wie doof, verrückt und verkorkst ich doch bin.

So beschleunigen Sie mein Rutschen mit einem kräftigen Schubs. Während ich mich noch fest an den Schlitten klammere, wird die Fahrt immer schneller. Mit diesen riesigen Schwung durchfahre ich manche Strecke, bei denen ich mir ein Durchkommen viel schwieriger vorgestellt habe.

Neben mir tauchen nach und nach immer wieder andere Fahrer auf, manche sogar unerwartet. Viele verstehen meine Lage, ermutigen mich, bestätigen mir, dass ich gut unterwegs bin. Andere wissen nicht, was sie tun sollen, aber ich merke die Verbundenheit. Es spannen sich Seile, zwischen meinem und den Schlitten all dieser Leute. Sollte ich doch mal von der Strecke abkommen, hält mich ein ganzes Netz davon ab in einen Graben zu stürzen.

Ich sag’s euch: Das Rutschen war schon mal viel unbeschwerter und angenehmer. Aber ich tue es! Und es fühlt sich richtig an; auch wenn es sich oft alles andere als gut anfühlt. Es gibt viele steile und dunkle Täler, die noch kommen, aber ich fühle mich bereit. Egal wie tief es wird, ich weiß, ich hab geniale Leute, die für mich im Ernstfall alles stehen und liegen lassen. Das zu wissen, tut soooo gut. Genauso, wie s gut tut, wenn einer von diesen Freunden sich entscheidet, mit auf den Schlitten zu springen, und wir mal ne spaßige Extratour machen dürfen.

Dieser Beitrag ist alles andere als direkt und ummantelt vieles mit Bildern. Aber ich denke, die Angesprochenen werden ihn sicher verstehen. Im Endeffekt will ich eins ausdrücken: Riesige Dankbarkeit dafür, dass ich geniale Freunde habe. Solche wünsche ich jedem auf dieser Welt.

DANKE! und allzeit guten Rutsch! 😉